Epilepsie

DANKE an www.belgian-shepherd.de / Breed a Healthy Race für die Möglichkeit Euch diesen Text zu zeigen:

EPILEPSIE

von DR. MED. VET. SUE CHANDRARATNE

Etwa 2% der Hunde in der Gesamtpopulation haben Epilepsie. Bei Risikorassen – genetische Prädisposition – (z.B. Australian Shepard, Border Collie, Belgischer Schäferhund, Labrador Retriever etc.) ist der Anteil deutlich höher. Epilepsie kann somit jeden Hundebesitzer oder Züchter treffen. Da diese Erkrankung für Betroffene ein großer Schock und der Umgang und das Leben mit der Krankheit oft nicht bekannt ist, möchten wir hier darüber aufklären und informieren.

WELCHE EPILEPSIEFORMEN GIBT ES?

Primäre/idiopathische Epilepsie

Die idiopathische Epilepsie ist die häufigste Form beim Hund. Diese Krankheitsform tritt meist im 1. Lebensjahr bis zum 5. Lebensjahr auf. Es kann keine zur Grunde liegende Ursache gefunden werden. Die idiopathische Epilepsie hat eine genetische Ursache.

Sekundäre/erworbene Epilepsie

Die sekundäre Epilepsie tritt in Folge von Verletzungen im Gehirn (Gehirntumor, Kopfverletzungen) auf. Auslösende Faktoren können zudem äußere Einflüsse auf das Gehirn, wie z.B. Leber- oder Nierenprobleme, Infektionen, über die Nahrung aufgenommene Gifte (Toxine wie z. B. Insektizide) oder niedrige Blutzuckerwerte sein.

WELCHE SYMPTOME ZEIGT MEIN HUND?

Epilepsie wird durch einen unauffälligen neurologischen Befund und durch Wohlbefinden des Hundes zwischen den Anfällen charakterisiert.

Epileptische Erkrankungen können grob in zwei Gruppen eingeteilt werden:

Von partieller oder fokaler Epilepsie (20 % der tierischen Patienten) spricht man, wenn elektrische „Kurzschluss“ nur einzelne Areale des Gehirns umfasst und sich lediglich an einzelnen Körperstellen äußert. Wenn die herdförmigen Anfälle ohne Bewusstseinstrübung ablaufen, werden diese von Tierbesitzern oft nicht als solche erkannt, da sie sich z.B. nur im Zucken der Lefzen, einer Gliedmaße oder einzelner Muskeln äußern. Auch ein Zeichen für einen kleineren epileptischen Anfall kann sein, wenn die Tiere nach imaginären Fliegen schnappen, unmotiviert bellen oder kauen.

Bei generalisierten Anfällen (80% der tierischen Patienten) hingegen sind von Anfang an beide Großhirnhälften beteiligt und sie breiten sich dadurch über den gesamten Tierkörper aus. Generalisierte Anfälle werden in verschiedene Typen unterteilt, wovon der tonische (von Tonus = Spannung) Anfall bei Hunden am häufigsten vorkommt. Manchmal setzt er ohne Vorwarnung ein. Doch im Allgemeinen durchläuft er drei Stadien.

Stadium 1: Ein leicht verändertes Verhalten kündigt normalerweise einen Anfall an. Die Patienten sind Minuten bis Stunden vor dem Anfall unruhig, lecken die Lippen, sie speicheln und urinieren vermehrt. Manche Tiere ziehen sich zurück oder suchen die Nähe ihres Halters und bellen übermäßig.

Stadium 2: Urplötzlich beginnt der eigentliche Anfall mit einer Versteifung (hochgradigen Anspannung) der Skelettmuskulatur. Die Hunde fallen mit ausgestreckten Beinen um, sind nicht mehr ansprechbar und verlieren das Bewusstsein. Zudem sind auch krampfartige Muskelzuckungen und Paddelbewegungen in der Luft typisch für solche Anfälle, bei denen es auch zu einer Entleerung von Blase und Darm kommen kann. Starkes Speicheln oder winseln kann auch bei manchen Hunden beobachtet werden. Die Hunde können sich während eines Anfalls auch selbst verletzen (z.B. können Zähne auf Boden ausgeschlagen werden). Meistens ist nach circa zwei Minuten alles vorbei.

Stadium 3: Nach einem Anfall sind die meisten Tiere erschöpft und zunächst benommen. Während sich einige Hunde wenige Minuten nach dem Anfall wieder vollständig erholt haben, kämpfen andere noch Stunden oder Tage später mit neurologischen Ausfällen: Dazu gehören Drangwandern, Sehstörungen, Desorientierung, Steifheit, wackliger Gang oder abnormer Hunger und Durst. Die Gefahr, dass die Tiere Fremdkörper fressen, ist dabei besonders groß.

Zunächst haben einzelne Anfälle keine gesundheitlichen Folgen, d.h. es sterben kaum Nervenzellen ab. Lebensbedrohlich wird es allerdings, wenn – was selten ist – ein Anfall länger als zehn Minuten dauert oder sich die Anfälle so schnell wiederholen, dass der Hund dazwischen nicht mehr zu Bewusstsein kommt. Diesen Zustand nennt man „Status epilepticus“, und das Tier gehört unverzüglich auf die Intensivstation. Auch Serienanfälle (mehrere Anfälle innerhalb eines Tages) können zu bleibenden Hirnschäden oder einem Status epilepticus führen. Auch diese Tiere sind Notfälle.

Epileptische Anfälle jedes Hundes verlaufen unterschiedlich. Aggressives Verhalten während eines Anfalls tritt eher selten auf. Man sollte sich einer potenziellen Aggressivität jedoch bewusst sein und sich bei einem Anfall nicht im Bereich des Kopfes des Tieres aufhalten (zudem sollten Vorkehrungen/Abläufe getroffen werden, wenn sich andere Haustiere oder Kinder im Haushalt befinden).

GIBT ES ANFALLS-AUSLÖSENDE TRIGGER?

Beim Menschen ist beschrieben, dass epileptische Anfälle häufig durch bestimmte Situationen oder Faktoren getriggert werden. Situationsabhängige Trigger wie Schlafentzug, exzessive körperliche Verausgabung, psychische Extrembelastungen, Sauerstoffmangel oder Hyperventilation können epileptische Anfälle auslösen. Meist kann jedoch beim Hund kein bestimmter äußerer Auslöser für einen Anfall festgestellt werden. Auffällig ist, dass Anfälle nahezu immer im Haus, also in der vertrauten Umgebung stattfinden. Sie treten vor allem in Ruhezeiten z.B. im Schlaf auf (abends, nachts, früh morgens). Es besteht somit meist kein Zusammenhang mit körperlicher Anstrengung.

WIE KANN ICH EPILEPSIE DIAGNOSTIZIEREN?

Da es bis zum heutigen Zeitpunkt keinen Gen-Test bei Hunden (außer beim Rhodesian-Ridgeback) gibt, besteht die Diagnostik aus einem Ausschlussverfahren anderer Krankheiten im Körper oder Gehirn.

Wichtig ist einen Tierarzt aufzusuchen, der sich auf dem Gebiet der Neurologie spezialisiert hat (z.B. Fachtierarzt für Neurologie oder Dipl. ECNV-European Veterinary Specialist in Neurology).

Es zeigt sich für die Einschätzung des behandelnden Tierarztes sehr hilfreich, wenn der Hund beim Anfall gefilmt wird. Dadurch kann auch die Länge als auch die Intensität des Anfalls besser zeitlich eingegrenzt werden, da sich dies mit der Wahrnehmung des Besitzers meist nicht deckt.

Für die Diagnose „idiopathische Epilepsie“ müssen alle Möglichkeiten für die sekundäre Epilepsie ausgeschlossen werden. Dafür muss eine Blutprobe (inklusive Bestimmung Zucker und Lebergallensäuren), sowie ein CT/MRT vom Kopf und die Entnahme von Rückenmarksflüssigkeit durchgeführt werden. Falls es weitere Symptome wir z.B. Herz-Kreislauf Symptome geben sollte, muss zusätzlich ein Ultraschall/Röntgen durchgeführt werden. Erst wenn alle Ergebnisse ohne Befund vorliegen, kann man von einer „idiopathischen Epilepsie“ sprechen.

Durch die hohen Kosten für die Untersuchungen und weil eine Behandlung des betroffenen Tieres trotz allem notwendig ist, wird die Ausschlussdiagnostik nicht von allen Hundebesitzern durchgeführt und der Hund nach der Blutuntersuchung medikamentös eingestellt. Auch ist nicht immer klar, ob ein sportlicher Einsatz des Hundes weiterhin möglich ist. Doch nur durch die Ausschlussdiagnostik kann der Hund beim entsprechenden Zuchtverband gemeldet und es können ggf. weitere Maßnahmen eingeleitet werden.

AB WANN UND WIE ERFOLGT EINE BEHANDLUNG?

Eine Behandlung wird erst begonnen, wenn der Hund in 6-8 Wochen mehr als einen Anfall gehabt hat, mehrere Anfälle in 24 Stunden erleidet (Kluster) oder bei einem langen, nicht aufhörenden Anfall (Status epilepticus).
Eine Therapie bedeutet nicht, dass der Patient zukünftig keine Anfälle mehr hat. Ziel ist es durch eine lebenslange Behandlung die Anfallshäufigkeit und die Anfallsstärke zu vermindern. Als Nebenwirkungen der Medikamente können neben Müdigkeit, Gleichgewichtsstörungen, vermehrter Harnabsatz oder erhöhter Durst und Hunger auftreten. Diese gehen meist nach 1-2 Wochen zurück, können aber auch dauerhaft bestehen bleiben. Die Medikamente müssen den Patienten möglichst immer zur gleichen Zeit eingegeben werden. Das Präparat Phenobarbital benötigt zum Aufbau eines wirksamen Blutspiegels im Körper ca. 14 Tage. Der Blutspiegel muss mittels einer Blutabnahme regelmäßig beim Tierarzt kontrolliert werden, sodass ein wirksamer Spiegel im Blut vorhanden ist.

Sollten Anfälle trotzdem länger als 5 Minuten auftreten, kann ein Notfallmedikament (z.B. Diazepam) rektal verabreicht werden, das meist unmittelbar den Anfall unterbricht. Denn länger andauernde Anfälle können zu einem Anstieg der Körpertemperatur führen. Dies kann eine Schädigung des Gehirns und anderer Organe wie Leber und Nieren verursachen.

Es kann allerdings Wochen bis Monate dauern, bis die Medikamente richtig eingestellt sind. Leider sind auch bis zu ein Viertel aller Epileptiker therapieresistent, das bedeutet, dass die Hunde auf die Therapie mit einem Medikament nicht mehr ansprechen und ein weiteres Medikament verabreicht werden muss.

KANN ICH WEITERHIN MIT DEM HUND HUNDESPORT MACHEN?

Bei optimaler Therapie können die meisten Hunde trotz Epilepsie ein gutes Leben führen und so alt wie gesunde Artgenossen werden. Wenn die Hunde frei von neurologischen Störungen und Nebenwirkungen der Medikamente sind, spricht aus medizinischer Sicht nichts gegen den Einsatz eines Hundes mit Epilepsie im Hundesport. Ist starke körperliche Anstrengung oder Aufregung ein auslösender Trigger, sollte mit dem Hund kein Hundesport mehr gemacht werden.

WIE KANN ICH HELFEN, WENN ICH BETROFFENER HUNDEHALTER ODER ZÜCHTER BIN?

Transparenz, Ehrlichkeit und Weitsicht sollten wichtige Eigenschaften eines Züchters sein. Daher ist es wichtig den betroffenen Hund mit idiopathische Epilepsie nach Ausschlussdiagnostik mit allen durchgeführten Untersuchungen bei seinem Zuchtverein zu melden und auch den Deckrüdenbesitzer und Wurfgeschwister zu informieren. Da aktuell der Erbgang bei der idiopathischen Epilepsie nicht bekannt ist, ist es umso notwendiger, dass sich betroffene Hundehalter und Züchter an aktuellen Forschungsstudien beteiligen.

Die Universität Bern möchte in Zusammenarbeit mit der Universität Helsinki und München die Ursachen von erblichen Epilepsieformen in verschiedenen Hunderassen erforschen. Daher werden dringend Blutproben von an Epilepsie erkrankten Hunden, sowie deren Verwandte (Mutter, Vater, gesunde Geschwister) benötigt.

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